Der East Wing ist Geschichte: Trumps White House Ballroom und die Rechtskurve Amerikas
Vor ziemlich genau zwei Jahren stand ich selbst im East Wing des Weißen Hauses – jenem Teil, der nun für Trumps „White House Ballroom“ abgerissen wurde. Damals war es ein Ort der Geschichte, heute ist er Sinnbild für Macht, Eitelkeit und den Zustand Amerikas. Der Eingang führte durch den East Wing, welcher nun in Schutt und Asche liegt. Irgendwie surreal.
Ich erinnere mich noch gut an die holzgetäfelte Eingangshalle – eine Seltenheit im Weißen Haus, die eine warme, beruhigende Atmosphäre schuf. Von dort ging es durch die East Colonnade, einen langen, überdachten Gang mit weißen Säulen, vorbei an Fenstern mit Blick auf den Jacqueline Kennedy Garden. Auch das kleine White House Family Theater mit seinen 40 Plätzen, wo Präsidenten einst Filme schauten und Reden übten, ist nun dem Erdboden gleichgemacht – wobei Trump es vermutlich eh viel lieber hat, selbst vor der Kamera als Protagonist zu stehen, als anderen auf der Leinwand zuzusehen. Die Marmortreppe führte hinauf zur State Floor, wo wir durch die prächtigen Staatsräume wandelten – vom imposanten East Room mit dem Washington-Porträt bis zum State Dining Room. All das ist nun Geschichte.
Die Geschichte eines angekündigten Abrisses
Trump träumte schon lange von seinem Ballsaal. Bereits zwischen 2010 und 2016 bot er der Obama-Administration an, privat 100 Millionen Dollar für einen “großartigen, würdigen” Ballsaal zu investieren.[1] Damals wurde er abgewiesen. Der bisherige East Room mit seinen 200 Plätzen sei ihm zu klein, Festzelte auf dem Rasen zu unwürdig für Staatsempfänge.
Im Sommer 2025 kündigte Trump als Präsident dann offiziell seinen Traum an: Ein 90.000 Quadratfuß (etwa 8.361 m²) großer Ballsaal für bis zu 999 Gäste.[2] Die geschätzten Kosten sind mittlerweile von 200 auf 300 Millionen Dollar gestiegen.[3]
You probably hear that beautiful sound of construction going on in the background… That’s the sound of success to me.
Donald Trump
Was als “minimale Fassadenarbeiten” angekündigt wurde, entpuppte sich diese Woche als Komplettabriss. Noch Mitte Oktober versicherte Pressesprecherin Karoline Leavitt: “Die neue Struktur wird das Gebäude nicht berühren”.[4] Am 20. Oktober rollten die Bagger an. Bis zum Wochenende wird der 1902 erbaute East Wing vollständig verschwunden sein. Trump rechtfertigte die Kehrtwende lapidar: “Um es richtig zu machen, mussten wir die bestehende Struktur abreißen”.[5]
Nach rechts gebaut, nach rechts regiert
Die Symbolik könnte kaum treffender sein. Der neue Ballsaal entsteht rechts vom Hauptgebäude des Weißen Hauses – genau dort, wo der East Wing stand. Die New Republic schrieb dazu: “Es ist schwer vorstellbar, ein passenderes Bild von Präsident Donald Trumps zweiter Amtszeit”.[6]
Hillary Clinton kommentierte scharf: “Es ist nicht sein Haus. Es ist euer Haus. Und er zerstört es”.[7] Elizabeth Warren bezeichnete die Bilder der Zerstörung als “perfekte Metapher” für Trumps Präsidentschaft: “Illegal, zerstörerisch und nicht zu eurem Nutzen”.[8]
Präsidentschaftshistoriker Jonathan Alter nannte den Abriss “das perfekte Symbol der Trump-Administration”, das “in Geschichtsbüchern für Hunderte von Jahren verwendet werden” wird.[9] Die Architektur-Politik wird als “Trumpitecture” verspottet – ein Stil, der sich an “einfache Symbole” klammert: “Groß bedeutet stark. Größer bedeutet stärker”.[10]
Die edlen Spender
Das Weiße Haus veröffentlichte am 23. Oktober die vollständige Spenderliste.[11] Die Tech-Giganten sind prominent vertreten: Apple, Amazon, Google (Alphabet), Meta und Microsoft sind alle dabei.
Apple-CEO Tim Cook hatte Trump bereits im August ein besonderes Geschenk gemacht: Eine maßgefertigte Glasplakette mit eingraviertem Apple-Logo und Trumps Namen, montiert auf einem 24-Karat-Goldsockel aus Utah – ein “Einzelstück”, wie Cook betonte. Im Gegenzug sicherte sich Apple eine Ausnahme von Trumps 100%-Zöllen auf Computerchips, was dem Unternehmen über eine Milliarde Dollar erspart.[12]
Google zahlt nun 22 Millionen Dollar für den Ballsaal – allerdings als Teil eines Rechtsvergleichs wegen der Sperrung von Trumps YouTube-Account nach dem 6. Januar 2021.[13]
Weitere interessante Großspender:[14]
- Palantir Technologies – das umstrittene Datenanalyse-Unternehmen von Peter Thiel
- Die Winklevoss-Zwillinge – Bitcoin-Milliardäre und frühe Facebook-Investoren, die sich nun mit Trump verbündet haben
- Coinbase, Ripple und Tether – die komplette Kryptowährungsbranche hofft auf regulatorische Vorteile
- Lockheed Martin – der Rüstungskonzern sichert sich Wohlwollen für Regierungsaufträge
- Paolo Tiramani – Bauunternehmer, spendete 10 Millionen Dollar in Aktien
- Stephen Schwarzman – CEO von Blackstone, alter Freund Trumps aus New York
Ethikexperten wie Richard Painter (ehemaliger Chef-Ethikanwalt unter Bush) sprechen von einem “ethischen Albtraum-Szenario” und einem “Pay-to-play”-Schema: Unternehmen spenden, um Zugang zur Regierung zu erhalten. Die Szene erinnert an Tim Cooks goldene Glasplakette – wer Trump etwas schenkt, bekommt etwas zurück.[15]
Rechtlich dubios bis illegal?
Die rechtliche Grundlage für das Projekt ist bestenfalls wackelig. Trump hat das Projekt ohne Genehmigung der National Capital Planning Commission (NCPC) begonnen, die normalerweise für Bauvorhaben an Bundesgebäuden zuständig ist.[15] Die Pläne wurden der Kommission bis heute nicht vorgelegt.
Der National Trust for Historic Preservation forderte in einem Brief einen sofortigen Stopp der Abrissarbeiten.[16] Eine YouGov-Umfrage vom 22. Oktober zeigt: 53% der Amerikaner lehnen den Abriss ab, nur 23% unterstützen ihn.[17]
Das Timing könnte kaum ironischer sein: Die Beamten, die das Projekt genehmigen könnten, sind derzeit ohnehin nicht im Dienst – der Government Shutdown lässt grüßen.
Der Blick nach Berlin: Wer baut hier größenwahnsinniger?
Während Trump seinen 8.361 m² großen Ballsaal für 300 Millionen Dollar hochzieht, plant Deutschland noch größer. Die Erweiterung des Bundeskanzleramts wird satte 50.000 m² groß – fast sechsmal so viel Fläche wie Trumps “goldener Ballsaal”.[18] Die Kosten? 777 Millionen Euro, mit Tendenz zur Milliarde.[19]
Der Bundesrechnungshof kritisiert die Überdimensionierung: 1.050 Büroarbeitsplätze für nur 784 Mitarbeiter – 266 Arbeitsplätze zu viel.[20] Das Kanzleramt ist bereits jetzt achtmal größer als das Weiße Haus und zehnmal größer als Downing Street No. 10.[21]
Verglichen mit dem Berliner Beton-Koloss wirkt Trumps Ballsaal tatsächlich wie ein kleiner Schuppen. Natürlich hinkt der Vergleich – das eine ist ein Tanzsaal für 999 Gäste, das andere soll (vermutlich) Büros beherbergen. Aber wenn es um baulichen Größenwahn und Steuergeldverschwendung geht, können sich Berlin und Washington durchaus die Hand reichen. Beide Projekte eint: Sie sind Monumente der Selbstüberschätzung ihrer Bauherren.
Quellen
[1] White House Tour Guide: “Introduction to the East Wing” – https://www.traveldc.us.com/en-us/gallery/introduce-of-the-east-wing/
[2] PBS NewsHour: “9 things to know about the $250 million ballroom Trump is adding to the White House” – https://www.pbs.org/newshour/politics/9-things-to-know-about-the-250-million-ballroom-trump-is-adding-to-the-white-house
[3] Time: “Trump’s White House Ballroom Funding and Donors” – https://time.com/7327752/trump-white-house-ballroom-funding-donors/
[4] Politifact: “White House East Wing demolition flip-flop” – https://www.politifact.com/factchecks/2025/oct/22/donald-trump/white-house-east-wing-demolition-flip-flop/
[5] ABC News: “Entirety of East Wing modernized to build Trump ballroom” – https://abcnews.go.com/Politics/entirety-east-wing-modernized-build-trump-ballroom-white/story?id=126755761
[6] New Republic: “Trump White House Demolition Symbol” – https://newrepublic.com/article/202127/trump-white-house-demolition-symbol
[7] YouTube: Hillary Clinton statement – https://www.youtube.com/watch?v=Dep-guoNUPE
[8] YouTube: Elizabeth Warren statement – https://www.youtube.com/watch?v=BME4XJCTSFQ
[9] New York Times: “Trump White House Demolition” – https://www.nytimes.com/2025/10/22/us/politics/trump-white-house-demolition.html
[10] Dezeen: “Donald Trump towers architecture Trumpitecture” – https://www.dezeen.com/2016/11/07/donald-trump-towers-architecture-trumpitecture-garish-self-indulgent-opinion-doug-staker-us-election-2016/
[11] Hindustan Times: “White House reveals full list of donors” – https://www.hindustantimes.com/world-news/us-news/white-house-reveals-full-list-of-donors-for-trumps-300m-ballroom-amazon-apple-meta-google-microsoft-and-more-101761238029809.html
[12] Fortune: “Apple Trump Tim Cook 100 billion manufacturing gift plaque gold” – https://fortune.com/2025/08/07/apple-trump-tim-cook-100-billion-manufacturing-gift-plaque-gold/
[13] BBC: “Trump ballroom donors list” – https://www.bbc.com/news/articles/c891yxgj44ko
[14] Politico: “Trump ballroom donors list” – https://www.politico.com/news/2025/10/23/trump-ballroom-donors-list-00620230
[15] Time: “Trump White House Ballroom Funding Donors” – https://time.com/7327752/trump-white-house-ballroom-funding-donors/
[16] NBC News: “Demolition White House East Wing starts” – https://www.nbcnews.com/politics/white-house/demolition-white-house-east-wing-starts-trumps-ballroom-project-rcna238754
[17] Politico: “White House demolition sends shock waves” – https://www.politico.com/news/2025/10/22/white-house-demolition-sends-shock-waves-spurs-calls-for-pause-00618230
[18] YouTube: “White House East Wing demolition polling” – https://www.youtube.com/watch?v=EAdEGEOgTrY
[19] Bundeskanzler.de: “Kanzleramt Erweiterungsbau” – https://www.bundeskanzler.de/bk-de/kanzleramt/erweiterungsbau
[20] Steuerzahlerbund Schwarzbuch: “Doppeltes Bundeskanzleramt 2021” – https://www.schwarzbuch.de/aufgedeckt/steuergeldverschwendung-alle-faelle/details/doppeltes-bundeskanzleramt-2021
[21] Bild: “Bundesrechnungshof fordert Sparmaßnahmen für Merz-Kanzleramt” – https://www.bild.de/politik/inland/bundesrechnungshof-fordert-sparmassnahmen-fuer-merz-kanzleramt-6889f650eba40421e07de583
[22] Focus: “Luxus in Krisenzeiten: So obszön sind die Pläne für das neue Kanzleramt” – https://www.focus.de/politik/deutschland/gastbeitrag-von-gabor-steingart-luxus-in-krisenzeiten-so-obszoen-sind-die-plaene-fuer-das-neue-kanzleramt_id_164367114.html
