Trumps Venezuela-Politik: Wenn der „Kampf gegen Drogen“ zum „Fluch der Karibik“ wird
Am 2. September 2025 passierte vor der Küste Venezuelas etwas, das selbst hartgesottene Militärexperten fassungslos macht. US-Spezialeinheiten griffen ein Boot mit 11 Personen an. Neun starben sofort. Die beiden Überlebenden klammerten sich ans Wrack. Dann kam der zweite Angriff – gezielt auf die wehrlosen Menschen im Wasser. Die Washington Post zitiert einen beteiligten Offizier: „Der Befehl lautete, alle zu töten.“[1]
Das ist kein Film. Das ist US-Außenpolitik unter Trump 2.0.
Doppelschlag auf Überlebende – ein Kriegsverbrechen?
Die Fakten sind brutal einfach. Nach internationalem Recht sind Überlebende eines Angriffs geschützt. Wer sie trotzdem tötet, begeht ein Kriegsverbrechen. Der parteilose Senator Angus King nannte es ein „eiskaltes Kriegsverbrechen“, sollte sich der Vorfall so zugetragen haben.[2] Selbst republikanische Senatoren wie Mike Turner erklärten: Wenn der zweite Angriff stattfand, war das illegal.[3]
Seit September hat die Trump-Regierung mindestens 22 solcher Angriffe auf mutmaßliche Drogenboote durchgeführt. 83 Menschen starben. Die offizielle Begründung? Kampf gegen den Drogenterrorismus. Die Realität? Eine militärische Eskalation, die Trump per Dekret eine Flugverbotszone über Venezuela errichten ließ – ohne internationale Legitimation, ohne Kriegserklärung durch den Kongress.[4]
Trump verlegt ein Viertel der gesamten US-Seestreitkräfte in die Region. Die USS Gerald R. Ford, größter Flugzeugträger der Welt, mit 15.000 Soldaten. Diese Machtdemonstration hat mit Drogenbekämpfung so viel zu tun wie ein Panzer mit Verkehrserziehung.[5]
Was treibt Trump wirklich an?
Wer glaubt, es ginge um Drogen, kennt Trump nicht. Venezuela sitzt auf den größten Ölreserven der Welt. Die Strategie ist glasklar: Maduro muss weg, eine US-freundliche Regierung muss her, amerikanische Ölkonzerne brauchen Zugang.[6]
Im November bot Trump Maduro laut Miami Herald bei einem Telefonat sichere Ausreise an – wenn er sofort abtritt. Maduro lehnte ab.[7] Also eskaliert Trump militärisch. Es geht nicht um Moral oder Menschenrechte. Es geht um einen „guten Deal“, wie Focus Online treffend analysiert.[8] Die diskutierte Lösung: Maduro gibt Drogenhandel zu, im Gegenzug bekommt die USA Öl-Handelspräferenzen.
Deals statt Prinzipien. Das ist Trumps Außenpolitik in vier Worten.
Honduras: Wenn der Drogenboss begnadigt wird
Während Trump in Venezuela angeblich gegen Drogenschmuggler vorgeht, begnadigte er zwei Tage vor der Honduras-Wahl am 30. November den zu 45 Jahren Haft verurteilten Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández. Sein Verbrechen? Drogenhandel. Sein Vorteil? Er war ein wichtiger US-Verbündeter.[9]
Der Widerspruch könnte kaum größer sein. Trump griff direkt in die Wahl ein, bezeichnete den rechtsgerichteten Kandidaten Nasry Asfura als „einzigen echten Freund der Freiheit in Honduras“ und rief zur Wahl für ihn auf.[10] Die linke Kandidatin Rixi Moncada warf ihm „interventionistische Wahlkampfaktionen“ für „seine Marionettenkandidaten“ vor.[11]
Nach der Wahl, bei der nur 515 Stimmen die Kandidaten trennten, warnte Trump ohne Beweise vor „Manipulation“ und drohte: „Wenn sie es tun, werden sie es teuer bezahlen!“[12] Gleichzeitig: Begnadigung eines verurteilten Drogenhändlers.
Die Botschaft ist klar: Drogen sind schlecht – außer du bist unser Freund.
Der „Kriegsminister“ und seine Skandale
Pete Hegseth verdankt seine Karriere Fox News, nicht dem Pentagon. Als Trump ihn zum Verteidigungsminister ernannte, lagen genug Informationen vor, um jeden normalen Kandidaten zu disqualifizieren: keine Führungserfahrung in Sicherheitspolitik, Vorwürfe sexuellen Missbrauchs, 50.000 Dollar Schweigegeld, Berichte über häusliche Bedrohung, Alkoholexzesse.[13]
Seine Bestätigung im Senat war so knapp, dass Vizepräsident J.D. Vance das Patt auflösen musste. Drei Republikaner stimmten gegen ihn.[14]
Dann kam die Signal-Affäre. Hegseth teilte in einer unverschlüsselten Chatgruppe Details über Angriffe auf Huthi-Milizen im Jemen – mit seiner Ehefrau und Zivilpersonen in der Gruppe.[15] Ein Pentagon-Bericht stellte fest: Er nahm durch sein Verhalten „Schaden für Personal und Einsatzziele in Kauf“.[16]
Our intelligence, without a doubt, confirmed that this vessel was trafficking narcotics, the people onboard were narco-terrorists…
PETE Hegseth
Und jetzt Venezuela. Hegseth soll persönlich den Befehl gegeben haben, „alle Menschen an Bord“ zu töten. Seine Verteidigung? Er habe keinen zweiten Angriff angeordnet und die Verantwortung liege bei Admiral Frank Bradley.[17] Hegseth rechtfertigte die Angriffe mit den Worten: „Our intelligence, without a doubt, confirmed that this vessel was trafficking narcotics, the people onboard were narco-terrorists…“[18]
Ein klassisches Sündenbock-Manöver. Bradley, der die Operation leitete, wurde kurz danach zum Chef des US Special Operations Command befördert – eine Belohnung dafür, die Verantwortung zu übernehmen?[19]
Trump verteidigt Hegseth demonstrativ. Aber der Druck steigt. Der republikanische Senator Thom Tillis sprach von „einem echten Problem“ mit Hegseths Entscheidungen.[20] Der demokratische Abgeordnete Jim Himes nannte das Videomaterial des Angriffs „eines der beunruhigendsten Dinge, die ich in meiner Zeit im öffentlichen Dienst erlebt habe.“[21]
Die Frage ist nicht ob, sondern wann Trump seinen „Kriegsminister“ fallen lässt. Die Strategie ist durchschaubar: Hegseth fungiert als Blitzableiter, während Trump die politische Kontrolle behält. Aber selbst für Trump-Verhältnisse wird die Last zu schwer. Kongressuntersuchungen laufen, Republikaner distanzieren sich, die Beweise verdichten sich.
Wenn Abgeordnete Soldaten zur Gehorsamsverweigerung aufrufen
Die Eskalation erreichte einen neuen Höhepunkt, als sechs demokratische Kongressmitglieder mit militärischer Vergangenheit am 20. November ein Video veröffentlichten. Die Botschaft an US-Soldaten: Illegale Befehle müssen verweigert werden.[22]
Senator Mark Kelly, ehemaliger Astronaut und Marinepilot, erklärte: „Unsere Gesetze sind klar: Ihr könnt illegale Befehle verweigern.“ Die Abgeordneten verwiesen auf die Uniform Code of Military Justice (UCMJ) und das historische Beispiel des Massakers von My Lai, bei dem Lieutenant William Calley trotz Befehlshauskette verurteilt wurde.[23]
Der Kontext: Die Abgeordneten befürchteten, das Militär könne nach Trumps Ankündigung von CIA-Einsätzen in Venezuela in illegale Konflikte ohne ordentliche Kriegserklärung des Kongresses hineingezogen werden.[24]
Trumps Reaktion? Er drohte, die sechs Abgeordneten wegen „aufrührerischem Verhalten, das mit dem Tod bestraft werden kann“ vor Gericht zu stellen.[25] Das Pentagon prüfte sogar, Senator Kelly in den aktiven Marine-Dienst zurückzuberufen, um ihn nach Militärrecht zu bestrafen – ein beispielloser Schritt gegen einen gewählten Volksvertreter.[26]
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, erklärte, es gebe „keine Beispiele für illegale Befehle“ von Trump. Gleichzeitig verteidigte sie die Angriffe als „rechtmäßig“ und im Einklang mit dem Gesetz.[27]
Das Pentagon-Handbuch ist eindeutig: „Befehle, auf Schiffbrüchige zu schießen, wären eindeutig illegal.“[28] Aber wenn die politische Führung Strafverfolgung gegen die androht, die auf dieses Recht hinweisen, entsteht eine Verfassungskrise. Soldaten werden nicht mehr nach Recht und Gewissen entscheiden, sondern aus Angst vor Konsequenzen gehorchen – genau das Gegenteil dessen, was die UCMJ verhindern soll.
Was nun?
Trumps Karibik-Abenteuer ist eine toxische Mischung aus Machtpolitik, Völkerrechtsverletzungen und politischer Heuchelei. Der „Kampf gegen Drogen“ ist Fassade für knallharte Öl- und Regimewechsel-Interessen. In Honduras mischt er sich in demokratische Wahlen ein, während er gleichzeitig einen verurteilten Drogenboss begnadigt. In Venezuela lässt er Menschen im Wasser erschießen – und schiebt die Schuld auf einen Admiral.
Die politischen Kosten werden steigen. Republikaner beginnen zu zweifeln, Demokraten fordern Aufklärung, internationale Kritik wächst. Hegseths Tage als Verteidigungsminister sind gezählt – nicht wegen seiner Skandale, sondern weil er als Sündenbock nicht mehr funktioniert.
Was bleibt, ist eine brutale Wahrheit: Trumps Außenpolitik folgt keinen Prinzipien, nur Interessen. Menschenleben sind verhandelbar. Völkerrecht ist optional. Und wenn’s brennt, wars der Admiral.
Willkommen in Trumps Fluch der Karibik. Nur dass hier nicht Jack Sparrow das Ruder führt, sondern jemand, der glaubt, Kriege könne man wie Immobiliendeals abschließen.
Quellen
[1] WSWS: US-Marineeinheiten töten Überlebende bei Angriff auf Boot vor Venezuela – https://www.wsws.org/de/articles/2025/12/01/dene-d01.html
[2] ZDF heute: Signal-Affäre und Vorfall vor Venezuela – https://www.zdfheute.de/politik/ausland/pete-hegseth-signal-venezuela-100.html
[3] ZDF heute: USA: Trump, Venezuela – Demokraten und Republikaner hinterfragen Kurs – https://www.zdfheute.de/politik/ausland/usa-trump-venezuela-demokraten-republikaner-100.html
[4] Tagesschau: Trump schließt Luftraum über Venezuela – https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/trump-luftraum-venezuela-100.html
[5] n-tv: Öl, Drogen, Militär – das sind die Teile in Trumps Venezuela-Rätsel – https://www.n-tv.de/politik/Oel-Drogen-Militaer-das-sind-die-Teile-in-Trumps-Venezuela-Raetsel-id30093988.html
[6] Cicero: Venezuela-Strategie der Amerikaner – https://www.cicero.de/aussenpolitik/venezuela-strategie-der-amerikaner-trump
[7] Cicero: Venezuela-Strategie der Amerikaner – https://www.cicero.de/aussenpolitik/venezuela-strategie-der-amerikaner-trump
[8] Focus: Deals statt Prinzipien – so funktioniert Trumps Venezuela-Strategie – https://www.focus.de/politik/ausland/deals-statt-prinzipien-so-funktioniert-trumps-venezuela-strategie_473637b8-aa4a-4107-9dd8-a71f68a80588.html
[9] DIE ZEIT: USA, Honduras, Rixi Moncada, Donald Trump – Wahlen, Einmischung – https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-11/usa-honduras-rixi-moncada-donald-trump-wahlen-einmischung
[10] Deutschlandfunk: Präsidentschaftswahl in Honduras – Manipulationsvorwürfe und Trump-Einmischung – https://www.deutschlandfunk.de/praesidentschaftswahl-in-honduras-manipulationsvorwuerfe-und-trump-einmischung-100.html
[11] n-tv: Honduras – Links-Kandidatin wirft Trump Einmischung vor – https://www.n-tv.de/politik/Honduras-Links-Kandidatin-wirft-Trump-Einmischung-vor-id30088111.html
[12] taz: Wahlen in Honduras – https://taz.de/Wahlen-in-Honduras/!6134414/
[13] DIE ZEIT: Pete Hegseth Bestätigung US-Verteidigingsminister Senat J.D. Vance – https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-01/pete-hegseth-bestaetigung-us-verteidigungsminister-senat-j-d-vance
[14] Tagesschau: Hegseth US-Senat – https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/hegseth-us-senat-100.html
[15] DW: Bericht: Hegseth USA Soldaten gefährdet Pentagon Signal Jemen Huthi Donald Trump – https://www.dw.com/de/bericht-hegseth-usa-soldaten-gef%C3%A4hrdet-pentagon-signal-jemen-huthi-donald-trump/a-75011518
[16] ZDF heute: Pete Hegseth Signal Venezuela – https://www.zdfheute.de/politik/ausland/pete-hegseth-signal-venezuela-100.html
[17] Tagesspiegel: Vorwurf des Kriegsverbrechens gegen US-Verteidigungsminister – Hegseth macht Admiral für zweiten Angriff auf Überlebende verantwortlich – https://www.tagesspiegel.de/internationales/vorwurf-des-kriegsverbrechens-gegen-us-verteidigungsminister-hegseth-macht-admiral-fur-zweiten-angriff-auf-uberlebende-verantwortlich-15004372.html
[18] BILD: Pentagon-Skandal: Hegseth gibt Befehl für Luftschlag – https://www.bild.de/politik/ausland-und-internationales/pentagon-skandal-hegseth-gibt-befehl-fuer-luftschlag-692daffa93720350369795b9
[19] WSWS: US-Marineeinheiten töten Überlebende bei Angriff auf Boot vor Venezuela – https://www.wsws.org/de/articles/2025/12/01/dene-d01.html
[20] ZDF heute: Signal-Affäre und Vorfall vor Venezuela – https://www.zdfheute.de/politik/ausland/pete-hegseth-signal-venezuela-100.html
[21] ZDF heute: Signal-Affäre und Vorfall vor Venezuela – https://www.zdfheute.de/politik/ausland/pete-hegseth-signal-venezuela-100.html
[22] IT Boltwise: Die Pflicht zur Verweigerung unrechtmäßiger Befehle im Militär – https://www.it-boltwise.de/die-pflicht-zur-verweigerung-unrechtmaessiger-befehle-im-militaer.html
[23] Newstime Joyn: Nach strittigem Hegseth-Befehl im US-Militär geht die Angst vor illegalen Einsätzen um – https://newstime.joyn.de/themen/politik/nach-strittigem-hegseth-befehl-im-us-militaer-geht-die-angst-vor-illegalen-einsaetzen-um-38479
[24] FR: Eskalation in der Karibik – Trump erlaubt CIA verdeckte Operationen gegen Drogenkartelle – https://www.fr.de/politik/eskalation-in-der-karibik-trump-erlaubt-cia-verdeckte-operationen-gegen-drogenkartelle-zr-93989373.html
[25] Newstime Joyn: Nach strittigem Hegseth-Befehl im US-Militär geht die Angst vor illegalen Einsätzen um – https://newstime.joyn.de/themen/politik/nach-strittigem-hegseth-befehl-im-us-militaer-geht-die-angst-vor-illegalen-einsaetzen-um-38479
[26] RP Online: US-Senator Mark Kelly – Pentagon prüft Rückberufung in den aktiven Dienst – https://rp-online.de/politik/ausland/us-senator-mark-kelly-pentagon-prueft-rueckberufung-in-den-aktiven-dienst_aid-139550403
[27] Tagesspiegel: Vorwurf des Kriegsverbrechens gegen US-Verteidigungsminister – Hegseth macht Admiral für zweiten Angriff auf Überlebende verantwortlich – https://www.tagesspiegel.de/internationales/vorwurf-des-kriegsverbrechens-gegen-us-verteidigungsminister-hegseth-macht-admiral-fur-zweiten-angriff-auf-uberlebende-verantwortlich-15004372.html
[28] Market Screener: US-Gesetzgeber prüfen Zusammenfassung von Pentagon-Befehl zu Karibik-Angriffen – https://de.marketscreener.com/boerse-nachrichten/us-gesetzgeber-pruefen-zusammenfassung-von-pentagon-befehl-zu-karibik-angriffen-ce7d51dfd08bf625
