Trumps inoffizielle Außenminister: Wie Witkoff und Kushner Weltpolitik in ein Geschäft verwandeln
Donald Trump hat offiziell einen Außenminister. Marco Rubio heißt der Mann, der eigentlich die US-Außenpolitik leiten sollte. Doch die wichtigsten Verhandlungen führen zwei andere: Steve Witkoff, ein Immobilienentwickler aus New York, und Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn. Beide haben eines gemeinsam: null diplomatische Erfahrung, aber direkten Zugang zum Präsidenten. Und beide sind tief in Geschäfte mit genau jenen Ländern verstrickt, mit denen sie verhandeln.
Der Immobilienfreund als Chefunterhändler
Steve Witkoff kennt Trump seit fast 40 Jahren. Die Freundschaft begann legendär: 1986 kaufte Witkoff dem damals klammen Trump ein Schinken-Käse-Sandwich in einem New Yorker Deli. Heute ist er Milliardär und Trumps wichtigster Unterhändler für praktisch alles: Gaza, Ukraine, Iran.[1]
Witkoff hat nie Diplomatie studiert, war nie Regierungsbeamter, spricht keine relevanten Fremdsprachen. Er ist Immobilienentwickler. Punkt. Trotzdem sitzt er mit Putin im Kreml, verhandelt über Atomwaffen mit dem Iran und bastelt an Friedensplänen für die Ukraine.[2] Seine Qualifikation? „He has the President’s ear“, wie ein US-Beamter gegenüber Politico sagte.[3]
Besonders brisant: Witkoffs wichtigster Geschäftspartner ist Len Blavatnik, ein Milliardär mit engen Kreml-Verbindungen, der 2023 von der Ukraine sanktioniert wurde.[4] Gemeinsam entwickeln sie Luxusprojekte in Florida. Gleichzeitig verhandelt Witkoff über die Zukunft der Ukraine.
Im Oktober 2025 wurde ein Telefonat zwischen Witkoff und Juri Uschakow geleakt, Putins außenpolitischem Chefberater. Darin gibt Witkoff dem Kreml-Beamten Tipps, wie man Trump am besten anspricht: Putin solle Trump anrufen und dessen Erfolge im Nahen Osten loben[5] (mehr hierzu im Post zum Friedensplan). Der republikanische Abgeordnete Don Bacon forderte daraufhin Witkoffs Entlassung: „Witkoff clearly favors the Russians. He cannot be trusted to lead these negotiations.“[6]
Dann ist da noch World Liberty Financial, ein Krypto-Projekt der Trump-Familie. Witkoff ist Mitgründer, sein Sohn Zach gehört zur Geschäftsführung. Im September 2025 schloss das Unternehmen einen 2-Milliarden-Dollar-Deal mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ab.[7] Zeitgleich setzte sich Witkoff in der Regierung dafür ein, den VAE Zugang zu hochentwickelten KI-Chips zu gewähren.[8]
Der Schwiegersohn mit den Milliarden aus Riad
Jared Kushner hatte versprochen, sich aus der Politik zurückzuziehen. Im Februar 2024 sagte er explizit, er werde keine Rolle in einer zweiten Trump-Administration übernehmen.[9] Das hielt nicht lange. Seit Frühjahr 2025 ist er wieder mittendrin: Gaza-Waffenstillstand, Ukraine-Verhandlungen, fünfstündige Treffen mit Putin im Kreml.[10]
Kushners Hauptgeschäft ist sein Investmentfonds Affinity Partners. Sechs Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus 2021 investierte der saudische Staatsfonds 2 Milliarden Dollar – obwohl ein internes Prüfgremium die Investition wegen Unerfahrenheit und „unbefriedigender Due Diligence“ ablehnte.[11] Kronprinz Mohammed bin Salman überstimmte die Experten persönlich.
War das eine Belohnung? Kushner hatte als Regierungsberater eine „leading role“ dabei gespielt, Trump nach dem Mord an Jamal Khashoggi davon zu überzeugen, MBS weiter zu unterstützen.[12] Er argumentierte, die Sache werde „blow over“.[13]
Heute verhandelt Kushner über Gaza – und hält gleichzeitig Beteiligungen an israelischen Unternehmen. Im Februar 2024 sagte er über Gaza: Die Strandgrundstücke könnten „very valuable“ sein. Aus israelischer Sicht würde er „do my best to move the people out and then clean it up.“[14] Eine Vertreibung der Palästinenser zugunsten von Immobilienprojekten? Kushner dementiert nicht, er nennt es „Experience and trusted relationships.“[15]
Auch die 666 Fifth Avenue-Geschichte passt ins Bild: 2017 bat Kushners Vater Katar um eine Investition in das verschuldete Gebäude. Katar lehnte ab. Kurz darauf unterstützte Jared die saudische Blockade gegen Katar. Nach dem Ende der Blockade 2018 rettete ausgerechnet eine Firma mit katarischer Beteiligung das Kushner-Gebäude mit 1,1 Milliarden Dollar.[16]
Historische Einordnung: Nichts Neues unter der Sonne
Man muss fairerweise sagen: Trump ist nicht der erste US-Präsident, der Vertraute ohne formale Qualifikation in wichtige Rollen hebt. John F. Kennedy machte seinen Bruder Robert zum Justizminister – trotz minimaler juristischer Erfahrung. Bill Clinton gab seiner Frau Hillary die Leitung der Gesundheitsreform, obwohl sie kein gewähltes Amt innehatte. Barack Obama ernannte mehrere Großspender zu Botschafterposten in Europa, die kaum Ahnung von den Ländern hatten.
Der Unterschied: Diese Personen führten keine parallelen Geschäftsimperien in genau jenen Ländern, über deren Schicksal sie verhandelten. Sie kassierten keine Milliarden von Staatsfonds während ihrer diplomatischen Missionen. Und sie gaben dem Kreml keine Coaching-Tipps, wie man den eigenen Präsidenten manipuliert.
Das Wall Street Journal berichtete Ende November unter der Überschrift „Make Money Not War“, dass Trumps Umfeld parallel zu den Ukraine-Friedensverhandlungen an milliardenschweren Deals mit Russland arbeitet.[17] Der Plan: Russland bekommt territoriale Zugeständnisse, im Gegenzug werden Sanktionen gelockert und US-Konzerne aus Trumps Umfeld bekommen Zugang zum russischen Markt – noch bevor europäische Firmen einsteigen können.[18]
Ein Studienfreund von Donald Trump Jr., Gentry Beach, soll laut Berichten bereits Pläne für einen Minderheitsanteil an einem russischen LNG-Projekt haben.[19] Andere Trump-Spender sprechen über Pipeline-Deals und die mögliche Reaktivierung von Nord Stream 2.[20]
Was nun?
Es geht nicht um Weltfrieden. Es geht um Geld.
Witkoff und Kushner sind keine idealistischen Vermittler, die selbstlos Konflikte lösen wollen. Sie sind Geschäftsmänner mit klaren finanziellen Interessen in genau jenen Regionen, in denen sie verhandeln. Ihre „Friedenspläne“ sind Geschäftspläne mit diplomatischem Anstrich.
Das Problem ist nicht nur ethisch, sondern strategisch: Wer garantiert, dass bei diesen Verhandlungen amerikanische oder ukrainische Interessen im Vordergrund stehen und nicht die Profitaussichten der Unterhändler? Wenn Witkoff dem Kreml erklärt, wie man Trump am besten umgarnt, und Kushner gleichzeitig von saudischen Milliarden abhängig ist – wessen Interessen vertreten sie dann wirklich?
Die USA haben eines der komplexesten diplomatischen Apparate der Welt mit tausenden Experten für jeden Winkel des Planeten. Stattdessen sitzen ein Immobilienentwickler und sein Schwiegersohn am Verhandlungstisch und improvisieren Weltpolitik zwischen ihren nächsten Deals.
Das Gefährliche daran: Diese Art der Außenpolitik – transaktional, von persönlichen Geschäftsinteressen durchsetzt, ohne institutionelles Gedächtnis – untergräbt systematisch das Vertrauen von Verbündeten und Gegnern gleichermaßen. Niemand weiß mehr, ob ein Zugeständnis aus strategischer Einsicht kommt oder weil jemand davon profitiert.
Trump ist nicht der erste Präsident, der Loyalität über Kompetenz stellt. Aber er ist der erste, der daraus ein Geschäftsmodell gemacht hat.
Quellen
[1] Wikipedia: Steve Witkoff – https://en.wikipedia.org/wiki/Steve_Witkoff
[2] CNN: Steve Witkoff Trump’s de-facto point man – https://www.cnn.com/2025/04/18/politics/steve-witkoff-trump-defacto-point-man-foreign-policy
[3] Politico: Steve Witkoff Russia Ukraine – https://www.politico.com/news/2025/08/29/steve-witkoff-russia-ukraine-00533390
[4] Byline Times: Trump envoy financial ties – https://bylinetimes.com/2025/12/01/trump-envoy-has-financial-ties-with-former-adviser-to-putins-money-man-now-leading-kremlin-peace-talks/
[5] Bloomberg: Witkoff discusses Ukraine plans – https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-11-25/witkoff-discusses-ukraine-plans-with-key-putin-aide-transcript
[6] Time: Steve Witkoff Russia call – https://time.com/7336906/steve-witkoff-russia-call-trump-ukraine-peace-plan/
[7] New York Times: Trump UAE chips Witkoff – https://www.nytimes.com/2025/09/15/us/politics/trump-uae-chips-witkoff-world-liberty-takeaways.html
[8] Schiff Senate: Steve Witkoff World Liberty Financial – https://www.schiff.senate.gov/news/press-releases/news-sen-schiff-leads-senate-democrats-in-demanding-answers-from-trump-envoy-steve-witkoff-on-failure-to-divest-ownership-of-world-liberty-financial-crypto-assets/
[9] CNN: Jared Kushner Trump second term – https://edition.cnn.com/2024/02/14/politics/jared-kushner-trump-second-term
[10] CNN: Kushner Witkoff Moscow Putin – https://www.cnn.com/2025/12/01/politics/kushner-witkoff-moscow-putin-ukraine-russia-peace
[11] New York Times: Jared Kushner Saudi investment fund – https://www.nytimes.com/2022/04/10/us/jared-kushner-saudi-investment-fund.html
[12] Vanity Fair: Jared Kushner Affinity Partners – https://www.vanityfair.com/news/2022/04/jared-kushner-affinity-partners-saudi-arabia-pitch-deck
[13] ABC Australia: Jared Kushner diplomacy investment – https://www.abc.net.au/news/2025-10-14/jared-kushner-diplomacy-investment-middle-east-real-estate/105862606
[14] DW: Gaza Donald Trump real estate – https://www.dw.com/en/gaza-donald-trump-real-estate-trump-organization/a-71564349
[15] CBS News: Steve Witkoff Jared Kushner 60 Minutes – https://www.cbsnews.com/news/steve-witkoff-jared-kushner-brokering-israel-hamas-deal-whats-next-for-gaza-60-minutes-transcript/
[16] Just Security: Jared Kushner Qatar 666 Fifth Avenue timeline – https://www.justsecurity.org/69094/timeline-on-jared-kushner-qatar-666-fifth-avenue-and-white-house-policy/
[17] Wall Street Journal: Russia US peace business ties – https://www.wsj.com/world/russia/russia-u-s-peace-business-ties-4db9b290
[18] Forbes: Business not war US Russia deals – https://www.forbes.com/sites/melikkaylan/2025/12/01/business-not-war-the-secret-us-russia-deals-global-impact/
[19] IBTimes: Peace for profit Trump allies – https://www.ibtimes.co.uk/peace-profit-trump-allies-plot-2-trillion-windfall-ukraine-deal-leak-1758984
[20] The Moscow Times: Trumps Ukraine peace cash grab – https://www.themoscowtimes.com/2025/12/04/trumps-ukraine-peace-push-was-always-a-naked-cash-grab-2-a91345
