Bill Burr in Saudi-Arabien: Wenn Prinzipien käuflich werden
Bill Burr ist einer der erfolgreichsten Stand-up-Comedians unserer Zeit – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Sein Monday Morning Podcast erreicht Millionen von Zuhörern, auch in meinem Feed taucht er regelmäßig auf. Doch Bill Burr in Saudi-Arabien – das war ein anderes Kaliber. Seine Teilnahme am Riyadh Comedy Festival hat gezeigt, wie schnell angebliche Prinzipien verschwinden können, wenn der Scheck groß genug ist.
Wer ist Bill Burr eigentlich?
Für alle, die ihn nicht kennen: Bill Burr ist ein amerikanischer Stand-up-Comedian aus Massachusetts, geboren 1968. Er wurde bekannt durch seine aggressive, konfrontative Art – kein Thema war ihm zu heiß, keine Autorität zu heilig.[1] Seine Karriere bekam einen Boost durch Dave Chappelles Chappelle’s Show 2004, später schuf er die Netflix-Serie F Is for Family und spielte in Breaking Bad mit.[1]
Legendär ist sein Auftritt 2006 in Philadelphia. Das Publikum buhte ihn aus. Burrs Reaktion? Eine zwölfminütige Tirade gegen das Publikum und die ganze Stadt Philadelphia. Heute gilt dieser Auftritt als „Wendepunkt in der Geschichte der Comedy“.[1]
Sein Monday Morning Podcast läuft seit 2007 und ist einer der erfolgreichsten Comedy-Podcasts in den USA. Zwischen 40 000 und 70 000 Plays pro Folge allein auf SoundCloud.[2][3] Burr hat Millionen von Zuhörern. Und genau diese Reichweite macht seine aktuelle Kontroverse so relevant.
Das Riyadh Comedy Festival: Glanz und Elend
Vom 26. September bis 9. Oktober 2025 fand in Saudi-Arabien das selbsternannte „größte Comedy-Festival der Welt“ statt.[4][5] Über 50 internationale Comedians traten auf: Dave Chappelle, Kevin Hart, Pete Davidson, Louis C.K., Whitney Cummings, Jimmy Carr und viele mehr.[4][5]
Das Festival ist Teil von Saudi-Arabiens „Vision 2030“ – einem Plan zur wirtschaftlichen Diversifizierung und Imageverbesserung. Direkt finanziert von der saudi-arabischen Königsfamilie.[6][7] Die Gagen? Berichten zufolge zwischen 350.000 und 1,6 Millionen US-Dollar pro Auftritt.[8][9]
Das Timing könnte zynischer nicht sein: Das Festival fiel zusammen mit dem siebten Jahrestag der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi.[10][11] Human Rights Watch und andere Organisationen kritisierten das Event als Versuch, von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen abzulenken.[10][11]
Warum das mehr als problematisch ist
Saudi-Arabien hat 2025 bereits 241 Menschen hingerichtet – ein neuer Rekord.[12] 162 dieser Hinrichtungen betrafen nicht-tödliche Drogendelikte.[12] Am 14. Juni 2025 wurde der Journalist Turki al-Jasser hingerichtet, weil er Korruption in der Königsfamilie aufdeckte.[12][13]
Die Frauenrechtsaktivistin Loujain al-Hathloul wurde gefoltert – Elektroschocks, Peitschenhiebe, Waterboarding. Sie kämpfte dafür, dass Frauen Auto fahren dürfen. Ihre Belohnung? Über 1.000 Tage Haft, systematische Folter und sexuelle Belästigung.[14][15] Heute steht sie unter einem illegalen Ausreiseverbot.[16]
Saudi-Arabien verhängt die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen.[17][18] 2022 wurden drei Männer wegen „Sodomie“ enthauptet.[19] Das Land belegt Platz 162 von 180 im World Press Freedom Index.[20] Unabhängiger Journalismus existiert praktisch nicht.[20]
Burrs Verteidigung: McDonald’s macht alles gut?
Bill Burr verteidigte seine Teilnahme in seinem Podcast und bei einem Live-Auftritt mit Conan O’Brien. Sein Hauptargument? Es gibt dort westliche Fast-Food-Ketten. Ernsthaft.
In seinem Monday Morning Podcast sagte er:
„You think everybody’s going to be screaming ‚death to America‘ and they’re going to have like fucking machetes and want to like chop my head off, right? Because this is what I’ve been fed about that part of the world. I thought this place was going to be really tense. And I’m thinking like: ‚Is that a Starbucks next to a Pizza Hut next to a Burger King next to McDonald’s…? They got a fucking Chili’s over here!'“[21][22]
Und bei Conan O’Brien legte er nach:
„If you actually give a fuck about those people and how they’re living over there, there’s gonna have to be these types of things to pull them in. And I will tell you, the Cheesecake Factory in Riyadh, it’s incredible. It’s right next to Pizza Hut and KFC, and if you want a pair of Timberlands, it’s across the street next to the Marriott, catty-corner to the fucking Hilton.“[23][24]
Burr argumentiert, dass die Anwesenheit von McDonald’s und KFC zeigt, dass Saudi-Arabien gar nicht so schlimm sein kann. Das ist so oberflächlich, dass es schmerzt.
Die deutsche Seite Watson schriebt dazu: „Denn: ernsthaft? Es gibt ein McDonald’s in Riad und damit ist alles gut? Damit zeigt Burr, dass er die Kritik nicht im Ansatz verstanden hat. Eben diese zielte darauf ab, dass sich Saudi-Arabien bewusst einen westlichen Anstrich verpasst und so davon ablenkt, dass es mit freiheitlichen Prinzipien im Land in Wahrheit gar nicht mal so gut aussieht.“[25]
Die Heuchelei ist unerträglich
Was diese Geschichte so bitter macht: Burr hat jahrelang „Milliardäre als tollwütige Hunde“ bezeichnet und Reiche kritisiert.[26] Er machte seine Karriere damit, gegen Elite und Ungerechtigkeit zu wettern. Und jetzt? Kassiert er geschätzt 1,6 Millionen Dollar von einem der repressivsten Regime der Welt.
Seine Fans sehen das genauso. Auf Reddit schrieb ein langjähriger Zuhörer: „I can’t believe it. I’ve never felt this let down by Bill before.“[27]
Kritiker werfen Burr vor, genau das zu tun, was Saudi-Arabien wollte: Positive Publicity liefern. „Bill Burr is giving the Saudi government exactly what it wanted: a positive portrait of Saudi Arabia. Yes, the Saudi people are no different than the rest of us — they eat at Chili’s too!“[28]
Was ist mit den USA?
Burr und andere Comedians argumentieren, dass auch die USA problematische Praktiken haben – ICE-Razzien, die Behandlung von Migranten, Polizeigewalt.[29] Das stimmt. Die USA haben massive Probleme mit Menschenrechtsverletzungen.
Aber das ist ein Whataboutism-Argument. Die Tatsache, dass die USA Menschenrechte verletzen, macht die systematische Unterdrückung in Saudi-Arabien kein bisschen weniger schlimm. Im Gegenteil – es sollte uns sensibler dafür machen, wenn wir Unrecht anderswo legitimieren.
Niemand zwingt Bill Burr, für das US-Heimatschutzministerium aufzutreten. Und wenn er es täte, wäre die Kritik genauso berechtigt.
Meine Konsequenz
Bill Burr ist reich. Er hätte auf die geschätzten 1,6 Millionen Euro problemlos verzichten können. Stattdessen entschied er sich, seine Prinzipien zu verkaufen und seine Reichweite zu nutzen, um einem brutalen Regime beim Imagewäsche zu helfen.
Nimesh Patel sagte aus ethischen Gründen ab.[30] Shane Gillis lehnte ein „substanzielles“ Angebot ab.[30] Atsuko Okatsuka lehnte ab und veröffentlichte die Zensurbestimmungen aus ihrem Vertrag.[31] Diese Comedians verstehen, dass manche Dinge wichtiger sind als Geld. Bill Burr offensichtlich nicht.
Während Loujain al-Hathloul unter Reiseverbot steht, während Menschen für ihre sexuelle Orientierung hingerichtet werden, während Journalisten in Gefängnissen verschwinden – kassiert Burr Millionen und erzählt uns, dass alles in Ordnung sei, weil es dort einen Burger King gibt.
Jeder darf natürlich selbst entscheiden, wen er unterstützt oder für wen er arbeiten will. Das ist meine tiefe Überzeugung. Aber genauso entscheide ich, wen ich mit meiner Aufmerksamkeit unterstütze.
Bill Burr hat sein Standing verspielt. Der Monday Morning Podcast, der regelmäßig in meinem Feed auftauchte, wird dort keinen Platz mehr haben.
Quellen
[1] Wikipedia: Bill Burr – https://en.wikipedia.org/wiki/Bill_Burr
[2] Wikipedia: Monday Morning Podcast – https://en.wikipedia.org/wiki/Monday_Morning_Podcast
[3] Rephonic: Monday Morning Podcast Statistics – https://rephonic.com/podcasts/monday-morning-podcast
[4] Backyard Drunkard: Riyadh Comedy Festival 2025 Lineup – https://backyarddrunkard.com/2025/10/10/riyadh-comedy-festival-2025-lineup-full-list/
[5] Variety: Bill Burr Slams Critics of Riyadh Comedy Festival – https://variety.com/2025/tv/news/bill-burr-slams-critics-riyadh-comedy-festival-1236543113/
[6] The Palatinate: Vision 2030, Sportswashing and Saudi Arabia’s Ulterior Motives – https://www.palatinate.org.uk/vision-2030-sportswashing-and-saudi-arabias-ulterior-motives/
[7] Peninsula Consulting Services: Capitalizing on Saudi Arabia’s Entertainment Boom – https://www.peninsulacs.com/post/capitalizing-on-saudi-arabias-entertainment-boom
[8] Reddit: Why Did Dave Chappelle Walk Away From a USD 50M Deal – https://www.reddit.com/r/NoStupidQuestions/comments/1nwdoxv/why_did_dave_chapelle_walked_away_from_a_usd_50/
[9] Instagram: Comedy Festival Payment Information – https://www.instagram.com/p/DPRlo7DCTKO/
[10] Human Rights Foundation: Statement on Saudi Arabia’s Riyadh Comedy Festival – https://hrf.org/latest/hrf-statement-on-saudi-arabias-riyadh-comedy-festival/
[11] Human Rights Watch: Saudi Arabia – Riyadh Comedy Festival Whitewashes Abuses – https://www.hrw.org/news/2025/09/23/saudi-arabia-riyadh-comedy-festival-whitewashes-abuses
[12] Human Rights Watch: Saudi Arabia – Executions Surge in 2025 – https://www.hrw.org/news/2025/08/11/saudi-arabia-executions-surge-in-2025
[13] OCCRP: Saudi Executions Surge Amid Crackdown on Dissent – https://www.occrp.org/en/news/saudi-executions-surge-amid-crackdown-on-dissent-hrw-says
[14] BBC: Saudi women’s rights activist Loujain al-Hathloul freed from prison – https://www.bbc.com/news/world-middle-east-55467414
[15] Wikipedia: Loujain al-Hathloul – https://en.wikipedia.org/wiki/Loujain_al-Hathloul
[16] MENA Rights Group: Saudi Arabia – NGOs Renew Call for Lifting Illegal Travel Ban – https://menarights.org/en/articles/saudi-arabia-ngos-renew-call-lifting-illegal-travel-ban-womens-rights-activist-loujain-al
[17] Equaldex: Saudi Arabia Criminalizes Homosexuality – https://www.equaldex.com/log/184
[18] Wikipedia: LGBTQ Rights in Saudi Arabia – https://en.wikipedia.org/wiki/LGBTQ_rights_in_Saudi_Arabia
[19] Fair Planet: Death Penalty for Homosexuality Illegal – https://www.fairplanet.org/story/death-penalty-homosexualty-illegal/
[20] Sanad: Saudi Arabia Near the Bottom of 2025 Press Freedom Index – https://sanad.uk/2025/05/03/saudi-arabia-near-the-bottom-of-2025-press-freedom-index-19-journalists-imprisoned-and-independent-media-absent/
[21] Deadline: Bill Burr Defends Riyadh Comedy Festival Performance – https://deadline.com/2025/10/bill-burr-defends-riyadh-comedy-festival-performance-1236567934/
[22] Rolling Stone: Bill Burr Riyadh Comedy Festival Performance – https://www.rollingstone.com/tv-movies/tv-movie-news/bill-burr-riyadh-comedy-festival-performance-1235439526/
[23] Defector: Bill Burr Keeps Cycling Through Excuses – https://defector.com/bill-burr-keeps-cycling-through-excuses-for-doing-the-riyadh-comedy-festival
[24] The Hollywood Reporter: Bill Burr Riyadh Comedy Festival Controversy – https://www.hollywoodreporter.com/news/general-news/bill-burr-riyadh-comedy-festival-saudi-arabia-controversy-1236395494/
[25] Watson: Bill Burr verteidigt kontroversen Auftritt in Saudi-Arabien – https://www.watson.de/unterhaltung/meinung/730809461-bill-burr-comedian-verteidigt-kontroversen-auftritt-in-saudi-arabien
[26] Cracked: Bill Burr Says Backlash Is Full of Lies But His Fans Aren’t Buying It – https://www.cracked.com/article_48671_bill-burr-says-backlash-to-riyahd-comedy-festival-is-full-of-straight-up-lies-but-his-fans-arent-buying-it.html
[27] Reddit: Bill Burr on His Podcast Today – https://www.reddit.com/r/JoeRogan/comments/1ntuqy8/bill_burr_on_his_podcast_today_i_thought_this/
[28] Pajiba: Bill Burr Badly Defends His Appearance at the Riyadh Comedy Festival – https://www.pajiba.com/news/bill-burr-badly-defends-his-appearance-at-the-riyadh-comedy-festival.php
[29] Consequence: Bill Burr Doubles Down on Saudi Arabia Defense – https://consequence.net/2025/10/bill-burr-doubles-down-saudi-arabia-defense/
[30] Newsweek: Riyadh Comedy Festival Comedians Line-Up Controversy – https://www.newsweek.com/riyadh-comedy-festival-comedians-line-up-controversy-10805331
[31] Deadline: Atsuko Okatsuka Reveals Riyadh Comedy Fest Censorship Rules – https://deadline.com/2025/09/atsuko-okatsuka-reveals-riyadh-comedy-fest-censorship-rules-1236557912/
