EU Regulierung der Tech-Konzerne: Berechtigte Kontrolle oder Überregulierung?
Die EU Regulierung der Tech-Konzerne hat sich in den letzten Jahren zu einem der schärfsten Eingriffe in die globale Tech-Branche entwickelt. Der Digital Markets Act (DMA) zwingt Apple zur Öffnung des App Stores und Meta muss seine Messenger-Dienste interoperabel machen. Parallel dazu hatte das US-Justizministerium gefordert, Google zum Verkauf von Chrome zu zwingen – was ein US-Gericht im September 2025 jedoch ablehnte.[1] Doch während die EU-Kommission ihre Maßnahmen als Schutz der Verbraucher feiert, stellt sich die Frage: Geht die Regulierung zu weit?
Das Paradox der verfügbaren Alternativen
Das vielleicht stärkste Argument gegen eine rigorose Tech-Regulierung ist simpel: Die Alternativen existieren bereits. Chrome dominiert zwar mit über 65 Prozent Marktanteil,[2] aber Firefox, Safari, Brave oder Vivaldi stehen frei zur Verfügung. Android-Smartphones sind günstiger als iPhones und bieten mehr Anpassungsmöglichkeiten.
Trotzdem entscheiden sich Millionen von Nutzern bewusst für die vermeintlichen „Monopolisten“. Das ist kein Zufall der Geschichte, sondern das Ergebnis überlegener Produktqualität und Nutzerfreundlichkeit. Wenn Menschen freiwillig zu teureren iPhones greifen, obwohl Samsung-Geräte günstiger sind, spricht das für bewusste Verbraucherpräferenzen – nicht für Marktversagen.
Die EU-weite Öffnung des iOS-App Stores illustriert dieses Problem perfekt. Seit März 2024 können EU-Bürger alternative App Stores nutzen. Das Ergebnis? Ernüchternd. Ende 2024 bot der AltStore PAL gerade mal drei Apps an, während selbst der größere Setapp mit rund 50 Apps ein Nischenprogramm bleibt.[3] Die theoretische Wahlfreiheit führt nicht automatisch zu praktischer Marktveränderung.
Die andere Seite der Medaille
Dennoch sind die Bedenken der Regulierer nicht von der Hand zu weisen. Googles Macht liegt nicht nur in Chrome, sondern in der strategischen Verknüpfung aller Dienste. Chrome dient als zentrales Datensammelsystem für Googles Werbeimperium, während die Integration mit Android und der Google-Suche ein selbstverstärkendes Ökosystem schafft.
Der DMA zeigt durchaus erste Erfolge. Amazon bevorzugt seine eigenen Produkte in den Suchergebnissen messbar weniger, seit das Unternehmen als Gatekeeper eingestuft wurde.[4] Und die Browser-Monokultur führt dazu, dass Web-Standards faktisch von Google bestimmt werden – Webentwickler optimieren primär für Chrome, was innovative Browser-Engines wie Gecko oder WebKit marginalisiert.[5]
Bürokratie versus Innovation
Problematisch wird es, wenn gut gemeinte Regulierung realitätsfern wird. Apples Entscheidung, Features wie Live-Übersetzung mit AirPods oder iPhone Mirroring nicht in die EU zu bringen,[6] ist teilweise strategisches Theater – aber nicht nur. Manche DMA-Anforderungen sind technisch komplex umzusetzen, ohne Sicherheit oder Datenschutz zu gefährden.
Die EU-Kommission behandelt Tech-Konzerne oft wie klassische Industriemonopole. Aber die Zerschlagung von Standard Oil 1911[7] ist kein Blaupause für moderne, hochvernetzte Tech-Ökosysteme. Eine Chrome-Abspaltung könnte unvorhersehbare Nebenwirkungen haben – von Sicherheitslücken bis zur Schwächung der einzigen echten Alternative Firefox, die paradoxerweise von Google-Zahlungen in Höhe von etwa 400 Millionen US-Dollar jährlich abhängt.[8]
Die unbequeme Wahrheit
Die größte Schwäche der EU-Regulierung liegt in ihrer Grundannahme: Dass Verbraucher vor sich selbst geschützt werden müssen. Tatsächlich schätzen viele Nutzer die Vorteile integrierter Ökosysteme höher als die theoretischen Vorteile fragmentierter Märkte.
Sicherheitsexperten warnen zurecht vor den Folgen einer erzwungenen Öffnung. „Wir mögen weder Monopole noch Malware, aber für eins von beiden müssen wir uns entscheiden“, bringt es Mikko Hyppönen von F-Secure auf den Punkt.[9] Die kontrollierte Umgebung des App Stores mag Monopolcharakter haben – sie schützt aber auch vor Schadsoftware.
Regulierung mit Augenmaß
Das bedeutet nicht, dass Tech-Konzerne freie Hand bekommen sollten. Gezielte Eingriffe gegen echten Missbrauch sind berechtigt. Wenn Amazon systematisch eigene Produkte bevorzugt oder Google Konkurrenten aus den Suchergebnissen verdrängt, ist Regulierung angebracht.
Die Crux liegt in der Unterscheidung zwischen „verdienter“ und „missbräuchlicher“ Marktdominanz. Chrome und iPhone dominieren ihre Märkte weitgehend durch Innovation und Nutzerfreundlichkeit. Diese Erfolge zu bestrafen, weil sie zu erfolgreich sind, wirkt wie Planwirtschaft durch die Hintertür.
Fazit: Weniger wäre mehr
Die EU-Regulierung der Tech-Branche ist gut gemeint, aber oft schlecht gemacht. Statt pauschal alle großen Plattformen zu gängeln, sollte sich die Politik auf echte Missbräuche konzentrieren. Verbraucher sind mündig genug, um zwischen Chrome und Firefox zu wählen – auch wenn das Ergebnis den Regulierern nicht gefällt.
Dabei wird ein entscheidender Punkt übersehen: Diese Technologien entstammen keinem Diebstahl, sondern jahrelanger Forschung und Innovation. Google hat Chrome entwickelt, Apple das iPhone-Ökosystem erschaffen, Meta soziale Netzwerke revolutioniert. Erfolgreiche Unternehmen für ihre eigenen Innovationen zu bestrafen, weil sie zu gut sind, widerspricht dem Grundprinzip einer Marktwirtschaft.
Die EU sollte ihre Energie lieber auf echte Verbrauchertäuschung konzentrieren. Wenn Google seine eigenen Produkte unmarkiert in den Suchergebnissen bevorzugt, Amazon heimlich eigene Marken pushed oder Facebook Algorithmus-Änderungen verschleiert – das sind Praktiken, die Verbraucher direkt schädigen, ohne dass sie es merken. Hier ist Regulierung berechtigt.
Die geringe Nutzung alternativer App Stores trotz EU-Zwang zeigt: Theoretische Wahlfreiheit reicht nicht aus, wenn die Verbraucher die dominanten Anbieter aus guten Gründen bevorzugen. Manchmal ist ein „Monopol“ einfach das bessere Produkt – und das sollte auch so bleiben dürfen.
Quellen
[1] US-Gericht lehnt Chrome-Verkauf ab: https://www.computerbase.de/news/apps/richterspruch-google-muss-chrome-und-android-vorerst-nicht-verkaufen.94163/
[2] Browser-Marktanteile: https://www.stetic.com/de/market-share/browser/
[3] Alternative App Stores in der EU: https://www.freenet-mobilfunk.de/digitalrepublic/apps/app-store-alternative
[4] Digital Markets Act Frühwirkungen (eigene Analyse)
[5] Browser-Monokultur: https://herrmontag.de/browser-und-ihre-vielfalt-es-wird-kritisch/
[6] Apple Features und DMA (eigene Analyse)
[7] Standard Oil Zerschlagung: https://www.schwerd.info/geschichte/zerschlagung-von-standard-oil/12313/
[8] Mozilla Finanzierung durch Google: https://www.tagesanzeiger.ch/eine-google-monokultur-droht-818974793526
[9] Sicherheitsexperte zu App Store: https://www.mactechnews.de/news/article/Sicherheitsexperte-App-Store-Zwang-sollte-bleiben-180286.html
